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En plus: Tage der neuen Klaviermusik Graz

Im Vorfeld der Tage der Neuen Klaviermusik Graz haben wir mit Eunhye Kim und Sztella Molnár gesprochen, die am 3. Juni im Grazer Minoritensaal das Festival eröffnen.

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Eunhye KIM und Sztella Molnár Fotos: Privat/Sofija Palurovic

Im Vorfeld der diesjährigen Tage der Neuen Klaviermusik Graz haben wir mit zwei Pianistinnen gesprochen, die mit der Grazer Neue Musik Welt eng verflochten sind. Gemeinsam werden Eunhye Kim und Sztella Molnár am 3. Juni im Grazer Minoritensaal das Festival eröffnen. Sie tun dies mit einem Programm, das sie aus Einsendungen im Rahmen eines Call for Works der ÖGZM und anderen Werken ihrer Mitglieder zusammengestellt haben.

Könnt ihr uns erzählen, wie ihr zur Neuen Musik gekommen seid?

Eunhye Kim: Meine erste Begegnung mit der Neuen Musik war die Uraufführung eines Klaviertrios von einem befreundeten Komponisten. Die Art der Musik, die neue Notation und die neuen Spieltechniken weckten meine Neugier. Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem Komponisten und den anderen Musiker:innen gab mir dabei das Gefühl, an einem lebendigen Prozess teilzunehmen. Nachdem ich in Wien noch an weiteren Projekten teilgenommen hatte, hatte ich trotzdem ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Um Neue Musik näher und noch tiefer kennenzulernen, habe ich das Masterstudium „Performace Practice in Contemporary Music“ an der Kunstuniversität Graz begonnen. Durch dieses Studium habe ich gelernt, Musik und Kunst aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Sztella Molnar: Meine erste Begegnung mit der Neuen Musik war noch in der Schulzeit, als die Lehrerin meines damaligen Trios uns Techno-Parade von Guillaume Connesson zum Spielen gegeben hat. Wir fanden das Spiel im Klavierinnenraum und die Verwendung von Papier als Dämpfer und als Mittel der Klangveränderung großartig. Seitdem habe ich immer wieder zurück zur Neuen Musik gefunden. Anfang 2020 habe ich auch Corona Meditation von Gerd Kühr gespielt – ein weiteres Beispiel für gelungene musikalische Experimente.

Euer gemeinsames Programm ist sehr facettenreich. Was hat euch an den jeweiligen Werken, die ihr ausgewählt habt, fasziniert? 

Sztella Molnar: Alle vier Werke zeigen etwas anderes. Dadurch kann ich als Interpretin auch vier verschiedene Merkmale meiner Persönlichkeit und meines Aufführungsstils zeigen. Bei Elisabeth Harniks Of all stars the most beautiful spiele ich beinahe ausschließlich im Innenraum des Klaviers. Es entsteht ein Spiel zwischen Aufstehen und Hinsetzen wie auch zwischen verschiedenen Klangfarben, die nie langweilig werden. Bei Michael Amann steht der Rhythmus im Vordergrund – eine Farbe, die in der Luft entsteht und das Publikum bezaubert. Den Schnee in einer leeren Stadt und die langsam fallenden Schneeflocken kann ich mir bei Amit Weiners Snow in Jerusalem sehr gut vorstellen. Das Stück ist mit „Etüde“ für die linke Hand betitelt – aber es ist viel mehr als das! Bei Traumprotokoll von Alexander Stankovski treten die fortwährenden Überraschungen durch Dynamikwechsel in den Vordergrund.

Eunhye Kim: Als ich die Noten von Siegfried Friedrichs Structures, Réminiscenses et Ghirlandes (II) zum ersten Mal sah, fielen mir vor allem die verschiedenen dynamischen Symbole auf, die jeder Note zugeordnet werden. Ich dachte: Wäre es möglich, ein differenziertes espressivo-Gefühl auszudrücken, indem ich einzelne Noten oder Notengruppen mit verschiedener Dynamik oder Artikulation spiele und gleichzeitig den Klang mit dem Pedal halte? Es hat sich unmittelbar Vorfreude eingestellt. Daniel Mosers Werk Schallschatten – image acoustique 4 erinnerte mich an das Echo eines kalten Luftklumpens. Mir gefällt die kristallklare Tonhöhe der Klaviertasten und die Art und die Weise, wie der Klang durch das Spiel der Klaviersaiten und Pedale erweitert wird. Das Stück Lintarys von Alexandra Karastoyanova-Hermentin ist ein virtuoses Klavierstück mit vielen Spannungsexplosionen, bei denen man nie weiß, wohin sie führen. Die Klavierpräparationen, die in der Mitte des Stücks erklingen, machen die Atmosphäre noch spezieller.

Poster der diesjährigen Tage der Neuen Klaviermusik Graz

Worin besteht für Euch der Reiz des „Neuen“? Spielt „Neues“ auch bei Eurer interpretatorischen Arbeit eine Rolle?  

Eunhye Kim: Für mich fühlt sich Neues wie eine sehr persönliche Erfahrung an. „Neu“ kann bedeuten, etwas zu erfahren und zu fühlen, was ich nie wusste, oder etwas „neu“ zu erfahren, was ich bereits wusste. Ich denke, es konzentriert sich grundsätzlich auf das, was gerade passiert. „Neues“ musizieren, sei es beim Klavierspielen oder beim Erlernen ein neues Werk, bedeutet für mich zuerst eine Erfahrung zu machen, die mich neugierig macht. Dann entsteht, entsprechend meinem Willen, es umzusetzen, etwas „Neues“.

Sztella Molnar: Menschen haben ein Grundbedürfnis, immer weiterzuwachsen und Neues zu erforschen. Bei der Interpretation von Musik macht „alt“ oder „neu“ für mich keinen Unterschied. Entscheidend ist das Stück selbst. Zu jedem Stück habe ich einen anderen Zugang, unabhängig davon, wann es entstanden ist.

Was bedeutet es für Euch, im Inneren des Klaviers zu spielen? Ist das Spiel auf den Tasten ausgeschöpft, oder warum zieht es Komponist:innen so oft ins Innere?

Sztella Molnar: Spielen auf den Tasten ist auf keinen Fall ausgeschöpft. In vielen Bereichen unserer Kultur und unseres Alltags erfinden wir uns fortwährend neu. Warum nicht experimentieren, wenn man kann? Die Klänge, die man im Innenraum des Klaviers erzeugen kann, sind unglaublich vielfältig man kann immer etwas Neues erfinden. Eine ausgewogene Abfolge zwischen dem Spiel auf den Tasten und im Innenraum macht das musikalische Erlebnis flüssiger und interessanter.

Eunhye Kim: Liegt es nicht daran, dass das Spiel im Inneren des Klaviers keine Erschöpfung der Tasten ist, sondern lediglich Neugier zeitgenössischer Komponist:innen? Ich glaube, dass diese kreativen Ideen uns nicht an einen Ort binden, sondern dass sie in die Welt der Musik einfließen und zu einer treibenden Kraft werden.

Das Klavier ist ein Musikinstrument mit einem riesigen, komplexen Mechanismus, der aus verschiedensten Materialien besteht. Ich finde es eine wunderbare Sache, alle Möglichkeiten der Klangerzeugung, die er bietet, auszuschöpfen. Wenn ich mir die Klaviermusik unserer Zeit ansehe, bin ich froh, dass verschiedene Spieltechniken entdeckt wurden. Das Spiel auf den Tasten ist nur eine davon. Ich denke, dass vor allem Resonanzen für das Klavier wichtig sind. Das heißt aber nicht, dass das auf die Tastatur beschränkte Klavierspiel der Vergangenheit angehört. Ich denke, dass es noch immer großartige neue Klaviermusik gibt, die ausschließlich auf den Tasten gespielt wird. Ich glaube, man muss stets neugierig sein, um „Neues“ finden zu können.

Herzlichen Dank für das Interview!

Biografien

Eunhye Kim (*1991) begann ihr Soloklavierstudium im Vorbereitungslehrgang im Jahr 2008 bei Doris Adam an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und setzte dieses im Jahr darauf als Bachelorstudium bei Doris Adam und Mihaela Ursuleasa fort. Bis zum Abschluss ihres Masterstudiums im Jahr 2020 nahm sie an verschiedenen pianistische Aktivitäten in Österreich teil: Sie gewann u.a. 2018 den Fidelio-Wettbewerb und spielte bei einem von Fazioli sowie einem von Blüthner gesponserten Recital, bei einem Live-Elektronik-Konzert im Wiener Echoraum sowie einem Live-Elektronik-Improvisationskonzert mit Christian Fennesz im Porgy & Bess mit. Darüber brachte sie gemeinsam mit zwanzig weiteren Pianist:innen anlässlich der vom Musikverlag Doblinger gehosteten YouTube-Feier zum 95. Geburtstags von Friedrich Cerha dessen 21 naseweise Notizen zur Uraufführung.
Seit 2020 studiert Kim den Masterstudiengang PPCM (Performace Practice in Contemporary Music) an der Kunstuniversität Graz. Im Rahmen dieses Studiums lernt und erforscht sie leidenschaftlich neue Zugänge zu Musik und Performance und arbeitet mit dem internationalen Ensemble für zeitgenössische Musik Klangforum Wien zusammen.
Derzeit ist sie als Pianistin/Performerin im Grazer Ensemble für zeitgenössische Musik und Performance „Coincidence“ tätig und gibt als Solistin regelmäßig Konzerte in Europa und Korea.

Sztella Molnár (*2001 in Novi Sad, Serbien) begann im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspiel und erhielt ersten Unterricht an der Musikschule „Isidor Bajić“ in Novi Sad. Sie gewann zahlreiche Preise bei nationalen und internationalen Klavierwettbewerben, darunter den 1. Preis beim Nationalen Wettbewerb für Pianisten, Serbien (2017, 2018), den 1. Preis beim Interpretationswettbewerb im Rahmen des Festivals „1. Tage der neuen Klaviermusik“ Graz (2021) und den 2. Preis beim Wettbewerb des Gothenburg Piano Festivals in Sweden (2022). Darüber hinaus absolvierte sie Meisterklassen u.a. bei Anna Ulaieva, Zoltán Füzesséry, Lovre Marušić, Sophia Glimson, Irena Kofman, Yuri Kot, Sontraud Spiedel, Andrzej Jasiński und Anna Malikova. Sie trat als Mitglied des ArtLink Chamber Orchestras wie auch als Solistin bei Konzerten in Belgrad und Novi Sad auf. Derzeit studiert Sztella Molnár an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (KUG) in der Klasse von Aima Labra Makk. Sie nimmt jede Chance wahr, der Welt ihre Musik mitzuteilen.


(MP, BA)

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